Sterben und Wiedergeburt des Egos

Unter dem Ego verstehe ich den Persönlichkeitskern eines Menschen im irdischen Leben. Dieser kann stark oder schwach ausgeprägt sein und er kann Gott entsprechen oder Gott widersprechen. Ob es also erstrebenswert ist, ein starkes Ego zu haben, das hängt davon ab, ob sich das Ego als Ausdruck Gottes zeigt wie bei Jesus oder ob sich das Ego als Ausdruck dessen zeigt, was Gott widerspricht.

Ob nun aber das Ego des Menschen Gott entspricht oder Gott widerspricht oder dies lauwarm gestaltet ist, also mal so mal so ausfällt, das hängt von der Geistseele des Menschen ab, die das Ego generiert und auch seine Stärke – meist unterbewusst – reguliert.

Bevor der Mensch daher ein gottgemäßes Ego im irdischen Leben aufweisen kann, ist eine Rückbesinnung der Geistseele auf Gott erforderlich. Diese Rückbesinnung der Seele auf Gott ist daher ein wesentliches Ziel jeder zielführenden religiösen Übung für Umkehrende. Hierbei besinnt sich die Geistseele darauf, dass seine wahre Heimat Gott ist und nur in der Verbindung mit Gott ein tragfähiges und damit ewiges Leben der Geistseele erstrebenswert und möglich ist.

Der Schritt der Rückverbindung der Geistseele zu Gott geht naturgemäß damit einher, dass die Persönlichkeitsmerkmale, die gegen Gott gerichtet sind, immer schwächer werden und der Mensch in diesem Sinne demütiger wird und eine abnehmende Präsenz seines Egos im irdischen Leben wahrnehmbar ist. Dies ist aber nur deswegen der Fall, weil die Orientierung der Geistseele umgewandelt wird von einer Ablehnung Gottes hin zur Liebe zu Gott. Dies ist der Grund, warum Jesus als erstes Gebot und damit als ersten Schritt der Erlösung die Liebe zu Gott anführt, sowie die Bereitschaft, dafür jenen falschen irdischen Reichtum zu opfern, der Gott nicht entspricht.

Sobald aber die Seele umgekehrt sit zu Gott und Gott mehr liebt als den falschen Reichtum und den Narzissmus der Welt, gewinnt das Ego eine ganz neue Bedeutung. Die negative Bewertung eines starken Egos darf schließlich nur gelten für den Zustand der inneren Abkehr der Seele von Gott. Wenn sich die Geistseele aber wieder mit Gott versöhnt hat, so ist das Ego ein Ausdruck einer Geistseele, die im Einklang mit Gott lebt. Und dieses Ego ist der neue Mensch, von dem die Bibel kündet. Es ist der neu geborene Mensch, von dem Jesus zum Erstaunen der Pharisäer gesprochen hat.

Denn die Pharisäer, Priester und Theologen kennen wohl aus persönlichem Erleben die Misslage des Egos, wenn es einer Seele entspringt, die sich von Gott abwendet. Daher sehen sie eine starkes Ego generell kritisch und verkennen das enorm starke Ego des Jesus als einen Ausdruck einer narzisstischen Verirrung und des Hochmuts. Tatsächlich ist aber ein starkes Ego immer dann der ausdrückliche Wille Gottes, wenn dieses Ego aus einer Geistseele hervorgeht, die Gott liebt. Denn Gott erhöht denjenigen Menschen, der zuvor die Rückverbindung der Geistseele mit Gott erfolgreich absolviert hat.

Aus diesem Grunde ist der Weg zu Gott in drei Phasen zu unterteilen:

1.) Aufgabe der Feindschaft zu Gott und Versöhnung der Seele mit Gott im Bund der Liebe. In dieser Phase wird das alte, gottferne Ego geschwächt und der Mensch wird sozusagen ärmer und verliert an Macht und Ansehen unter den gottfernen Menschen.

2.) Aufbau des neuen Egos, der neuen Persönlichkeit des Gotteskindes aus der Verbindung der Seele mit Gott heraus. Der Mensch wird reicher und gewinnt an Autorität auf die gottgefällige Weise der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe. Er spendet zunehmend Segen und gewinnt charismatische Gaben.

3.) Natürlicher Wandel des Menschen im Einklang mit Gott. Seine irdische Persönlichkeit entspricht der des Jesus Christus. Er hat die Nachfolge des Herrn angetreten. Er wird von anderen Menschen entweder aufgesucht, wenn sie die Rückverbindung zu Gott suchen, oder abgelehnt, wenn sie weiterhin im narzisstischen Ego leben mögen, dass aus der Trennung ihrer Seele von Gott resultiert.

Wir haben gelernt, dass man das Ego eines Menschen erst danach beurteilen sollte, ob es Gott widerspiegelt oder dies nur stimuliert oder gar offen widerspricht. Dies allerdings kann nur ein Mensch beurteilen, der den Weg der seelischen Versöhnung mit Gott zur Wiedergeburt im Leben bereits weitreichend gegangen ist. Vielen Pharisäern, Priestern, Theologen und spirituellen Lehrern sind diese Dinge unzugänglich, weil sie sich oft erst am Anfang der ersten Phase der Transformation befinden oder im schlimmsten Fall aus einem narzisstischen Ego heraus behaupten, sie seien schon ein „errettetes“ Kind Gottes.

Es ist auch zu beachten, dass Jesus derjenige Mensch ist, an dem wir uns orientieren sollen und der uns durch den Weg begleitet. Jesus kommt daher schon dann zu uns, wenn wir noch in Feindschaft zu Gott leben, aber nach Gott rufen, um umzukehren. Das bedeutet für Jesus, dass er sich in unsere Situation begibt im Hinblick auf die Erfordernis, das alte Ego loszulassen und es nicht weiter zu betreiben, also sterben zu lassen im Zuge der Liebe zu Gott, die sich in der Liebe zu Jesus zeigt.

Eine völlig falsche Demut liegt allerdings dann vor, wenn sich der Mensch bereits seelisch mit Gott in Liebe vereint hat und weiterhin zögert, seine irdische Rolle als Gotteskind auszuleben. Wer also seelisch wieder mit Gott verbunden ist, der ist in der zweiten Phase und er muss sich überzeugen, sein irdisches Licht größer werden zu lassen, auch wenn andere Menschen auf dem Weg, die noch nicht so weit vorgedrungen sind, gerade nicht tun sollen. Wann der rechte Zeitpunkt gekommen ist für unser neues Leben als Gotteskind entscheidet immer Gott und wir sollen auf ihn geduldig warten und ihm nicht vorgreifen. Denn wer nicht auf das „go“ im Heiligen Geist wartet, der baut nur sein falsches ego wieder auf und entfernt sich wieder von Gott und all seine Bemühungen waren vergeblich. Im Zweifelsfall sollte man lieber warten und sich einstweilen auf die Liebe zu Gott besinnen und darin seine Freude finden, ohne diejenigen anzufeinden, die schon weiter sind als man selbst.

Thomas Ihli
Thomas Ihli

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