Schüchternheit

Schüchternheit ist eine Scheu vor Menschen, die auf einem inneren Dialog im schüchternen Menschen beruht. In diesem inneren Dialog werden die Rollen der Seele auf der einen Seite und die des Geistes auf der anderen Seite getrennt und es kommt zu einer Tadelung der Seele durch den Geist.

Hierbei werden die Emotionen der Seele kritisch beäugt und als negativ bewertet. Die Seele will sich verstecken, um der kritischen Begutachtung durch den Geist zu entgehen und so wird der Geist schließlich neben seiner Rolle als Kritiker auch die Rolle eines Beschützers einnehmen und die Exposition der Seele vermeiden, indem er externe Aktivitäten unterbindet und torpediert. 

Der Geist ersinnt somit angebliche Gründe, warum die Seele nicht exponiert werden soll einer Situation, in der sie sich offenbaren müsste. Denn die Seele wird vom Geist als peinlich angesehen, als etwas, das man verbergen sollte, weil es nicht so ist, wie es sein sollte. 

Tatsächlich ist die Seele dann zu natürlichen Emotionen in der Lage, wenn sie nicht unterdrückt und kontrolliert wird. Wenn die Seele aber nicht kontrolliert wird, dann ist sie nicht so, wie es sich Menschen wünschen, die Gewalt und Kontrolle ausüben. Denn die Seele entwickelt negative, ablehnende Emotionen, wenn sie Gewaltausübung und Kontrollversuchen ausgesetzt wird. Diese negativen Emotionen aber werden von den Menschen der Gewalt als böse angesehen, weil sie ja darauf hindeuten, dass die Ausübung der Gewalt und der Kontrolle nicht dem natürlichen Verhalten der Menschen entspricht, sondern dass es sich um eine Abweichung, die Sünde, handelt, die der Mensch besser überwinden sollte. 

Die negativen Emotionen der Seele bei Konfrontation mit Gewalt und Kontrolle ist somit eine natürliche Reaktion, die aber von den Geistern der Gewalt und der Kontrolle verboten und verfolgt werden, um die Wahrheit zu verbergen.

Die Trauer der Seele unter Gewalt und Kontrolle wird daher als etwas Böses getadelt und es wird verlangt, dass die Seele statt dessen Freude und Anerkennung, ja Gier auf den Glanz der Macht widerspiegeln soll. Dies wird allerdings von einer natürlichen Seele niemals die Reaktion auf Gewalt und Kontrolle sein, so dass es nur als geheuchelte Reaktion vorkommen kann, die dann vorgespielt werden kann, wenn man die Seele verbannt hat, auf dass sie ihre Emotionen nicht mehr zeigen kann. 

Der Schüchterne erkennt nun seine Emotionen als Traurigkeit, wenn Gewalt und Kontrolle ausgeübt werden. Gleichzeitig ist er sich der äußerlichen Anforderung bewusst, dass diese Emotionen unerwünscht sind und er nimmt daher geistlich selbst daran teil, seine Seele zu tadeln für die negativen Emotionen, die allerdings vollkommen adäquat sind und der Reaktion Gottes entsprechen, der kein Wohlgefallen an Gewalt und Kontrolle hat. 

Der Schüchterne wird nun seine Seele nicht verleugnen, sondern er weiß um seine inneren Reaktionen auf das Erleben von Gewalt und Kontrolle. Er lacht nicht, wenn es traurig ist. Und dies will er nun nicht auch noch sichtbar machen in der Konfrontation mit Menschen der Gewalt und Kontrolle. Daher will sich dieser schüchterne Mensch verbergen und nicht zeigen, wie es ihm geht. 

Es gibt insgesamt drei Möglichkeiten, mit Gewalt und Kontrolle umzugehen. Die Erste Möglichkeit ist die der wertschätzenden Ehrlichkeit. Hierbei lässt der Mensch die Emotion seiner Seele zu, die mit Gott im Einklang ist. Dies ist eine Traurigkeit über den falschen Weg der Gewalt und Kontrolle sowie eine Ablehnung und Unfähigkeit, daran teilzunehmen. So weinte Jesus über Jerusalem. Denn seine Seele war traurig die Gewalt und Kontrolle zu sehen, die darin herrschten und der sich die Menschen unterstellten, ohne zu Gott zu stehen, der es nicht will. 

Die zweite Reaktion besteht darin, dass man seine Seele verleugnet und sie ignoriert. Das ist sozusagen der Mord an der Seele und ihre Verbannung aus dem Bewusstsein. Dann kann statt der wahren Emotion der Seele eine Zustimmung geheuchelt werden und der Menschen wird zu einem Mitläufer des Unrechtsstaates.

Die dritte Möglichkeit ist die der Schüchternheit, also der Vermeidung der Exposition der Seele unter die Augen der Gewalttäter. Dann wird ein Verstummen vor den Anklägern eintreten und es kommt nicht zum Ausdruck der Traurigkeit der Seele. 

Allerdings kommt es nur dann zur Schüchternheit des Menschen, wenn dieser den Mut zur angemessenen Reaktion missen lässt. Er will sich nicht so zeigen, wie es angemessen ist, weil er nicht will, dass er dafür angegriffen wird, dass er die Bosheit der Gewalttäter traurig findet. Diesen Mut aber bräuchte es, wenn man seiner Seele mit seinem eigenen Geist treu sein wollte. Wenn man nun aber seinen Geist einsetzt, um die eigene Seele selbst als etwas Peinliches hinzustellen, dann wendet man sich innerlich gegen seine Seele und läuft Gefahr, dass man diese zunehmend zum Erlöschen bringt. Wenn die Seele erst erloschen ist, dann ist die Schüchternheit auf die völlig falsche Weise überwunden worden und der Mensch hat kein Problem mehr damit, der Bosheit der Gewalttäter beizuwohnen, da er dabei nichts mehr fühlt, weil seine Seele verleugnet wurde. Er wird dann auch lachen, wenn etwas Trauriges geschieht und wird diejenigen verhöhnen, die weinen, wenn etwas Trauriges geschieht. Die Schüchternheit ist daher kein heilsamer Weg, sondern sie ist der Vorbote des Absterben der Seele. Daher sind meist kleine Kinder schüchtern, bis sie endlich ihre Seele verleugnet haben und leben wie die Gewalttäter es schon vor ihnen getan haben.

Der Heilsweg ist der der Ehrlichkeit und der Liebe des eigenen Geistes zur eigenen Seele in Wertschätzung der angebrachten Emotionen. So lässt sich die Seele retten und die Schüchternheit überwinden. Man wird dann kein Mittäter in der Runde der Übeltäter, sondern lebt als Außenseiter im Einklang mit Gott. Man ist ehrlich traurig über die Gewalt und verbirgt dies auch nicht. Man steht zu den gesunden Emotionen, die die Seele entwickelt und verlangt nicht eine falsche Fröhlichkeit um Angesicht schwerer Verbrechen. Die Wertschätzung der eigenen Seele ist daher der richtige Weg, die Schüchternheit zu beenden und die Emotionen der Seele, die von Gott her eingegeben werden, nicht zu leugnen. 

Thomas Ihli
Thomas Ihli

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