Wenn der Mensch zunächst zum Sünder wird, bevor er umkehrt und errettet wird, so kann dies kein Fehler sein, sondern es ist offensichtlich ein unvermeidbarer Prozess der Reifung. Daher ist es nicht recht, den Sünder zu hassen. Eine Abkehr vom Hass und die Vergebung des Jesus ist die Konsequenz.
Was also das erste Gebot des Herrn gemäß der Schrift war, nämlich nicht vom Baum der Erkenntnis vom Guten und Bösen zu essen, muss neu eingeordnet werden. Wenn es in der Natur des Menschen liegt, sich auf den Weg der Sünde zu begeben, dann kann ihm weder Gott noch sein Mitmensch mit gutem Recht einen Vorwurf machen, sondern Vergebung muss göttliche Norm sein. Genau dies lehrt uns schließlich auch Jesus, der den Geist Gottes angenommen hat.
Gleichzeitig ist aber auch die Überwindung der Sünde ein Ziel, dass den Menschen innerhalb der Sünde begleiten muss. Denn er geht nicht in die Sünde, um auf immer ein Sünder zu bleiben, sondern dazu, die Sünde zu überwinden, während er sie tut und erlebt. Er soll innerlich reifen, um schließlich reif für die Errettung zu werden.
Während der Mensch am Beginn seines Weges ganz begeistert ist, endlich sündigen zu können, nimmt die Begeisterung immer mehr ab, je mehr er auch die Sünde anderer Leute am eigenen Leibe erleben muss. In der Endphase seines Reifeprozesses wird er zunehmend den Geschmack an der Sünde verlieren und sie nicht mehr tun, während aber andere Menschen noch gegen ihn sündigen, dies sogar verschärfen, weil er nicht mehr richtig dazu gehört in der Gemeinde der Sünder.
Dann geht es vorwiegend darum, dass der Mensch die Vergebung erlernt und sich in Barmherzigkeit bewegt, inmitten einer Welt, die ihn dafür verhöhnt und angreift. Wenn sich der Reifeprozess vervollständigt hat, wird er aus der Sünde entrückt.
Es ist somit nicht richtig, die temporäre Erscheinung der Sünde als Fehler zu bewerten. Der Mensch ist dennoch stets dazu gerufen, die Sünde zu überwinden. Daraus entsteht der Stress, dass man einerseits die Sünde tun muss für eine gewisse Zeit, bis man sie dann überwinden kann, was viele Anstrengungen bedeutet.
Wenn Gott also sagt, esst nicht vom Baum der Sünde, damit ihr nicht sterbt, dann bedeutet dies nicht, dass er sich dem Irrtum hingegeben hat, dies werde nicht geschehen. Vielmehr ist es das Wort Gottes an den Menschen, das dieser mitnehmen soll, um sich zu späterem Zeitpunkt zu erinnern, dass es nicht die ewige Mission sein kann, in der Sünde hängen zu bleiben. Vielmehr soll er sich immer wieder erinnern, dass die Sünde nur für eine kurze Weile getan werden soll und der damit verbundene spirituelle Tod nicht auf ewige Dauer gelten soll, sondern nur auf begrenzte Zeit.
So ist die Sünde nicht sehr erstrebenswert, muss aber doch durchlebt werden. Der sollte sich darum bemühen, die Phase der Sünde möglichst rasch zu überwinden und nicht darin versauern. Ja, du musst wohl zeitweilig Sünder werden, um die Sünde zu überwinden. Das aber bedeutet, dass eine Vergebung der Sünde bereits garantiert war, als wir mit der Sünde begonnen haben. Eine ewige Strafe für die Sünde ist unmöglich.
Die Idee einer ewigen Strafe für die Sünde ist somit eine Lüge, die unter amtierenden Sündern gehandelt wird, als sei es die Wahrheit. Tatsächlich ist aber die Vergebung für alle Menschen vorgesehen. So aber ist es auch die Aufgabe eines jeden Menschen, selbst so weit zu reifen, dass er selbst diese Vergebung für seine Mitmenschen akzeptieren und glauben kann, sie fühlen kann und danach leben kann.
Am Ende werden wir erkennen, dass auf Erden niemals etwas geschehen ist, dass nicht der Wille Gottes gewesen ist. Wir werden daher nicht mehr als Ankläger gegen die „Bösen“ auftreten, sondern wir werden die Erkenntnis vom „Guten“ und „Bösen“ einstellen müssen zugunsten der Liebe zu allen Menschen, dem ganzen Leben und damit auch zu Gott im Ganzen. Dann stellen wir unsere Vorwürfe ein und kehren heim mit dankbarem Herzen ins Paradies.
Den Preis des Erlebnisses der Sünde haben wir schließlich alle gezahlt. Teilweise als Täter und teilweise als Leidtragender der Sünde, aber auch als reuiger Sünder.
Die Idee, dass ein Sünder ein Bösewicht ist, muss verworfen werden, obwohl man in der Sünde schreckliche Werke tut. Tatsächlich ist jeder Mensch gut, auch wenn er noch am Anfang seines Weges durch diesen Dschungel steht. Der Glaube indes muss sich erst entwicklen. Wäre dieser Prozess nicht notwenig, so hätte uns Gott nicht in diesen Weg gehen lassen. Sein Ziel ist nicht der ewige Tod für uns, sondern unsere Errettung aus der Sünde.
Wenn sich nun amtierende Sünder als errettete Sünder begreifen wollen, so stimmt das nicht so ganz. Es stimmt aber, dass Gott ihnen schon vergeben hat, während sie noch auf dem Weg sind und Gott gar nicht erkennen. Sie werden nicht in ewiger Strafe enden, sondern in einem Prozess der Erkenntnis zu ihrem Heil. So auch ich.
Was ist also meine Neubewertung der Sünde? Die Sünde ist eine notwendige Erfahrung, in die man zuerst hineingeraten muss, um sie schließlich zu überwinden. Daher ist jeder Vorwurf gegen Sünder und gegen die Sünde fehl am Platz und wird nur temporär auftreten, solange man noch nicht das Ende erreicht hat. Der Vorwurf gegen die Sünde ist somit eine Sünde, die ebenfalls zu vergeben ist. Die Sünde aber muss jeder Mensch überwinden, um daraus befreit werden zu können. Daher ist ein größeres Engagement für die Überwindung der Sünde immer und überall ein guter Rat. Der Schutz vor der Sünde wird für uns erst vollkommen, wenn wir selbst aus der Sünde aussteigen, indem wir auch die Lektion der Vergebung erfolgreich abschließen.