Freude statt Stolz

Die Freude und der Stolz sind Emotionen, die vom Menschen jeweils als etwas Positives erlebt werden und ihn in eine gute Laune versetzen. Aber dennoch sind Freude und Stolz gegensätzlich motiviert. Die Freude zeugt von der Gemeinschaft mit Gott, während der Stolz davon zeugt, dass man sich von Gott distanziert hat. Wie ist das zu begreifen?

In der Freude haben wir den Willen Gottes getan und es ist das eingetreten, was wir uns im Einklang mit Gott davon versprochen haben. Vielleicht sind wir auch überrascht worden. Es geht dabei nicht darum, ob man selbst einen Beitrag geleistet hat, denn das hat man ja, indem man gelebt hat und etwas erlebt hat. Dies ist sowohl in der Freude als auch im Stolz der Fall.

So wäre es eine völlig unzutreffende Definition, Freude auf Ereignisse anzuwenden, von denen man behauptet, selbst nichts beigetragen zu haben und umgekehrt den Stolz dann zu vermuten, wenn jemand selbst etwas getan hat, bevor die positive Emotion einsetzte. Diese falsche Definition findet sich vornehmlich im protestantischen Denken wieder, wo man den Wirkenden der Guten Werke fast schon routinemäßig attackiert, wenn er Anzeichen positiver Emotionen zeigt. Er sei stolz, denn er bilde sich ein, er habe selbst einen Anteil am Guten, wo doch er schlecht sei und nur Gott gut sei. Dies ist ausdrücklich ohne wenn und aber als Irrtum zurückzuweisen. Denn jedem Erleben geht eine Mitwirkung der erlebenden Seele voraus. Die Vermutung, man sei immer stolz, wenn man eine positive Emotion nach einer persönlichen Einbringung erfährt, ist in sich Ausdruck der Verirrung, die sich bei den Betreffenden in das Denken eingeschlichen hat.

Nein, sowohl der Freude als auch dem Stolz geht ein Mitwirkung des Menschen voraus und das Ergebnis des Erlebens wird dann mit einer positiven Emotion verbunden. 

In der Freude verhält es sich aber so, dass das Wirken und Empfinden im Einklang mit Gott geschah, also seiner Natur nach demütig war. Im Stolz aber ist es so, dass das Wirken und Empfinden gegen den Willen Gottes erfolgte und ihrem Wesen nach hochmütig war. Es geht also darum, ob wir mit Gott gehen oder gegen Gott. Mit Gott wird uns echte Freude geschenkt. Gegen Gott wird uns der Stolz zuteil, der die Freude imitiert und nachäfft, sie aber nicht wirklich ersetzen kann. 

Im Willen Gottes haben wir Werke getan, die darauf abzielen, unsere Distanz von Gott und anderen Menschen zu reduzieren, die also in Liebe geschahen. Gegen den Willen Gottes haben wir Werke getan, die darauf abzielen, unsere Distanz von Gott und anderen Menschen zu vergrößern, die also in Ablehnung und Abgrenzung geschahen. 

So freut sich die Freude darüber, dass sie die Menschen näher gebracht zu Gott und zu sich gegenseitig. Der Stolz aber ist stolz darauf, dass er den Menschen von anderen Menschen abgrenzen konnte und in eine vermeintlich größere Würde geführt habe gegenüber den Mitmenschen. Weil der Mensch jeweils das erreicht hat, wonach sein Herz strebte, schaltet sich jeweils das Belohnungssystem ein und schüttet positive Emotionen und gesteigerte Vitalisierung aus. Doch im einen Fall, dem der Freude, wurde tatsächlich etwas Gutes erreicht, während im anderen Fall, dem des Stolzes, etwas Schlechtes geschehen ist, nämlich die innere Abspaltung des Betreffenden von Gottes Gemeinde.

Dies ist auch der Grund, warum Stolz etwas ist, dass in jenen Kreisen eher auftritt, die sich von der Kirche abgrenzen wollen, um vermeintliche Überlegenheit zu erreichen. Tatsächlich entsteht eine Einsamkeit auf der Basis der Illusion der Überlegenheit. Wenn man nun diejenigen Stolz schimpft, die sich über die guten Ergebnisse ihrer guten Werke ganz zurecht freuen, dann ist man ja selbst im Stolz, während jene in der Freude weilen. Das unchristliche Werk des Stolzen liegt darin, dass er sich von anderen Christen abgrenzen wollte, indem er diesen mit falschen Unterstellungen nachweisen wollte, keine rechten Christen zu sein, kein toller wiedergeborener Christ zu sein oder dergleichen. 

Dabei ist ein in der Liebe wieder neu geborener Christ einer, der die Werke tut, die ihm Jesus aufträgt und zwar nicht, um sich abzugrenzen, sondern um Gemeinschaft zu finden in der Liebe und dafür sein Streben nach Überlegenheit gerne opfert. So werden wir in der Freude zu kleinen Kindern, die sich über die Gemeinschaft der Liebe freuen. Wir wollen genau das erreichen und wenn es geschehen ist, dann freuen wir, dass es geschehen ist und sind auch froh und glücklich, dass wir dazu beitragen durften im Geiste Gottes. Wir freuen uns dann in der Gemeinschaft mit Gott.

Beim Stolzen ist es hingen so, dass ihn die Traurigkeit Gottes umgibt, der an ihm in diesem Moment kein Wohlgefallen hat. Denn er grenzt sich ja von Gott ab, lehnt Gott ab und sagt, dass dieser ein Ungläubiger und Stolzer sei, der meint, er hätte zu den guten Werken beigetragen, die geschehen sind, obwohl er nur Schlechtes täte. Dies ist nicht der Fall. Wer Gute Werke tut, der tut gute Werke, um eine größere Nähe zwischen den Menschen zu ermöglichen. 

Wer schlechte Werke tut, der tut schlechte Werke, um eine größere Distanz zwischen den Menschen zu erreichen, wobei er sich dem Wert nach oben und den anderen dem Wert nach unten ansiedeln möchte. 

Wer Almosen gibt, der kann der Lehre von Jesus nach entweder ein gutes Werk tun oder ein schlechtes Werk tun. Er tut dann ein gutes Werk, wenn er die Almosen gibt, weil die Situation des Notleidenden verbessern möchte und weil er ihn liebt. Er tut dann ein schlechtes Werk, wenn er die Almosen gibt, weil er dem Notleidenden und/oder Dritten gegenüber als moralisch überlegene Person gelten möchte. Dann geht es ihm darum, die Würde des Empfängers seiner Gaben herabzusetzen und seine eigene Würde zu steigern. Wenn er glaubt, dies erreicht zu haben, wird er die Emotion des Stolzen haben und sich erhaben fühlen. Der Wirkende des guten Werks aber wird sich freuen, wenn der Notleidende neuen Lebensmut findet und die Meinung überwinden kann, dass ihn niemand sehen und niemand lieben will. Denn der Wirkende des guten Werks will das Heil des Notleidenden erreichen, selbst wenn er von anderen dafür verhöhnt und verachtet wird. Er freut sich, wenn es ihm gelang zusammen mit dem, dem er helfen konnte.

Wer das Gute Werk tut, dem geht es nicht darum, ob er nun auf sein Gutsein oder das Gutsein Gottes vertraut hat. Es geht ihm darum, ob er dem Notleidenden tatsächlich helfen konnte, was ihn sehr freuen würde. Dass er dann das Gute getan hat und Gott bei ihm war, wird ihm vielleicht bewusst, wenn er zur theologischen Reflexion geneigt ist.

Wem es aber darum geht, dass er „auf die unverdiente Gnade“ vertraut hat und sich darin groß fühlen möchte, dass er nicht glaubt, selbst gut sein zu können (oder zu sollen), der lebt im Stolz und nicht in der Freude. Sein Stolz sagt ihm, dass er ein rechter Christ ist, während die dummen Täter der guten Werke sich fälschlicherweise für gut befinden, was er zutiefst verabscheut, da er so ein großer Christ ist, der doch wiedergeboren sei, in dieser Auffassung, gar nichts zu können und daher auch nichts leisten zu sollen. 

So erkennt man letztlich, dass die Theologie der Verachtung des Guten Werks daher rührt, dass man kein gutes Werk tun möchte, weil man eben nicht mit Gott gehen möchte, sondern in Abgrenzung zu Gott und Kirche im eigenen Stolz verweilen möchte. Dann tut man einfach nichts Gutes und behauptet, dass man das ja gar nicht tun könne, weil Gott alles ganz ohne den Menschen machen wolle. Dies ist eine sehr große Täuschung, in der sehr viele Menschen gefangen sind. Ihr Antrieb ist nicht die Liebe zum Mitmenschen, sondern die Idee, die Kirche bekämpfen zu müssen wegen ihrer Lehre von den guten Werken durch gutherzige Menschen. So ist der Antrieb tatsächlich der Kampf gegen Gott und gegen die Mitmenschen, der einem zutiefst misanthropen Menschenbild entspringt. Denn der Stolze glaubt ja, der Mensch sei unfähig und böse. Dies aber ist er in den Augen Gottes selbst dann nicht, wenn er so denkt, wie der Stolze. Der Stolze ist tatsächlich in den Augen Gottes nicht böse, sondern verirrt. 

So wollen wir alle Menschen lieben und jedem etwas Gutes tun, wenn wir ihm begegnen. Denn das ist das Wesen der Nächstenliebe, die wir praktizieren in der Nachfolge Gottes.

 

Thomas Ihli
Thomas Ihli

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