Demut verstehen und praktizieren

In der Sünde lieben wir Hochmut, nicht Demut

Die Demut des Herrn ist uns Menschen oft ein großes Rätsel, weil wir in der Abweichung von Gott nicht sonderlich zur Demut geneigt sind, sondern eher einen Hang zu Hochmut und  Stolz haben. Oft denken wir auch mit Schaudern an die falsche Demut derer, die sich in Selbstkasteiungen und Selbstanklage klein machen wollen und sich einbilden, dies sei Demut in dem Sinne, den uns Jesus vorgelebt hat. Hat sich Jesus etwa selbst geschlagen? Nein, das hat er nicht und er hat auch sonst niemanden geschlagen, sondern Sünder geliebt und vor der Steinigung beschützt. Selbstzerstörung ist somit keine Demut, sondern ein Fehler, den wir überwinden möchten. Denn Er sagte, dass er nicht unseren Tod will, sondern unsere Umkehr zur Errettung ins ewige Leben.

Aus diesem Grunde ist es erforderlich, sich wieder neu vertraut zu machen mit dieser außerordentlich wichtigen Tugend, der Demut wie sie Jesus meint, die in der Nachfolge von Jesus auf unserem Heilsweg von sehr großer Bedeutung ist.

In der Demut hören wir wirklich auf Gott

So lehrt es uns der Herr: Zunächst ist Demut die Bereitschaft, auf Gott zu hören und ihm zu glauben. Hochmut als das Gegenteil der Demut ist hingegen das Streben nach anderen Göttern, nämlich eigenen Bildern von Gott einhergehend mit Selbstbetrug und Verleugnung der Wahrheit des echten Gotts. Charakteristisch für den Hochmut ist ferner die Aufnahme und Verbreitung von falschen Ideen und Irrtümern über Gott oder gar die offene Verleugnung Gottes. 

Selbstvorwürfe und Niedergeschlagenheit sind keine Demut

Die Abweichung von Gott ist auch dann von Hochmut geprägt, wenn sie von schweren Selbstvorwürfen und zuweilen großer Niedergeschlagenheit, der falschen Demut, begleitet sein kann. Der Hochmütige ist schließlich außerhalb der jener großen Freude Gottes, die in der echten Demut tatsächlich gefunden wird. 

Demut erzeugt Freude, Hochmut erzeugt Stolz, wenn sich Erfolg einstellt

Der Hochmütige kann sich nicht wirklich freuen, sondern eben nur Stolz als eine falsche Freude fühlen. Dies ist die Emotion, die den Irrtum begleitet, als Mensch ohne Gott erfolgreich zu sein nach einem alternativen Bild von Gott im irdischen Dasein. Wenn man sich einbildet, man sei erfolgreich mit seinem Werk, dabei aber nicht im Einklang mit Gott handelt, dann fühlt man Stolz und nicht wahre Freude. 

Wahre Freude fühlt man nur, wenn man im Einklang mit Gott gehandelt hat und dies Erfolg gebracht hat in dem Sinne, dass sich mehr Liebe und mehr Gemeinschaft eingestellt hat, also weniger Hochmut. Wohl demjenigen der wahre Freude kennt, die sich einstellt, wenn man etwas wirklich im Einklang mit Gott tut. Denn dann kann er sie von der falschen Freude, dem Stolz, unterscheiden und sich so selbst überführen, wenn er Gott verlassen haben sollte.

Demut ist Barmherzigkeit, um den gefallenen wieder aufzurichten

Ein wichtiger Aspekt der Demut ist im biblischen Werk der Fußwaschung durch Jesus zu finden. Denn in der Fußwaschung wird die Demut des Herrn und die Demut derer ersichtlich, die diese Fußwaschung durch ihren hoch geschätzten und verehrten Lehrer akzeptieren.

Denn Jesus zeigt uns auf diese Weise, dass er nicht auf einem Podest stehend als überlegener Fürst geehrt und bedient werden möchte, sondern dass er uns helfen möchte, damit auch wir den Frieden und die Freude zu finden, die er schon hat. Seine eigene Freude liegt auch darin, ein verlorenes Schaf zu erretten und ihm daher die Füße bzw. die Wurzel seines irdischen Daseins zu reinigen und zu erneuern. Und sein Ziel ist es nicht, sich über uns zu erhöhen, sondern sein Maß auf uns zu übertragen, so dass wir gleich werden. Jesus arbeitet also daran, seinen Vorsprung gegenüber uns kleiner werden zu lassen, ihn gar ganz aufzulösen. Er will nicht besser sein als wir, sondern das Gute, das er kennt und tut, für uns im gleichen Maße zugänglich zu machen und mit uns zu teilen, so dass wir Freunde sein können. Zu diesem Zweck also macht er sich zu unserem Lehrer, dass er seine Befähigung auf uns übertragen kann. Er tut nicht Gutes, um den Abstand zu uns auszubauen, sondern sein Gutes zielt drauf ab, den Abstand zu uns aufzulösen und eine Gleichheit zu erreichen, bei der er nicht absinkt, sondern wir aufsteigen zu seiner Herrlichkeit in der demütigen Barmherzigkeit, die keine Überlegenheit anstrebt, sondern Gemeinschaft von Liebenden. 

Demut ist es auch, die WAhre Barmherzigkeit anzunehmen

Jesus geht es also tatsächlich darum, uns zu helfen und er ist nicht gekommen, um uns auszubeuten oder sein Ego durch unsere Anbetung aufzublähen, wie dies bei den falschen Propheten der Fall ist, die Demut noch nicht verstanden haben. Unsere Demut Jesus gegenüber erweist sich darin, dass wir diese Haltung als für uns erstrebenswert erkennen und Jesus nicht zu etwas machen wollen, was dem Streben unseres Egos entspräche.

Demut führt den Schüler auf das Maß des Meisters

Denn wir als Sünder würden sicherlich gerne als großartiger Anführer verehrt werden, die als überlegene Führer und großartige Menschenfreunde weit würdiger sind als der Durchschnittsmensch. Ein Held, dem die Massen zujubeln und zu Füßen liegen, weil er ganz allein heilig ist und sich alle anderen damit abfinden müssen, hinter ihm zurück zu bleiben. Doch dies alles ist die Fantasie von Menschen der Sünde. Das aber geht uns verloren, wenn wir Jesus darin anbeten und bewundern, dass er uns die Füße wäscht, um uns zu helfen, auf sein Niveau angehoben zu werden und uns nicht mehr voraus zu sein in Demut und Glauben. So wird unser ganzes Wertesystem über den Haufen geworfen und zerschlagen, wenn wir begreifen, was Jesus uns da eigentlich vermittelt mit seinem Werk der Fußwaschung. Er will uns nur so machen, wie er schon ist, damit wir die Freude der Gemeinschaft von Brüdern haben können. Wir sehen zwar, dass er uns jetzt voraus ist, aber wir gestehen uns auch ein, dass er seinen Vorsprung uns gegenüber aufgibt, weil er uns liebt und uns daher jene Hilfe schenkt, die uns zu dem macht, was er schon ist. Dann kann er kein Fürst sein, dem man Anerkennung schuldig ist, sondern er ist ein Bruder, den man liebt und mit dem man sich freuen darf an einer gemeinsamen Tafel des Heils. 

Wer in Demut hilft, der gibt die Idee von Überlegenheit auf

Wenn ich den Messias dafür bewundere, dass er mir hilft und die Füße wäscht und sich nicht gebärdet wie ein irdischer Fürst, der seine Überlegenheit inszenieren und ausbauen möchte, so zielt mein Herz auf die Nachahmung seiner Demut. Ich bete ihn in seiner Demut an und erlebe, dass sich mein Herz nach seiner Demut ausrichtet und transformiert. 

Denn wenn ich es bewundere, Hilfe für das Wachstum derer zu leisten, denen ich voraus bin, so will mein Herz auch solche Hilfe leisten. Ich strebe also danach, ein Mensch zu werden, der Hilfe leisten kann wie Jesus. Mein Ziel wird die Fähigkeit der Barmherzigkeit. Ich will auch barmherzig werden und strebe danach als sein Schüler, um dann Gemeinschaft mit Jesus haben zu können als sein Bruder. Ich will also ebenfalls gute Werke der Nächstenliebe tun und suche danach. So werde ich wie mein Herr, der mich auf diesen Weg führt.

In der Demut will ich Bruder des Jesus sein

Im Gegensatz dazu wird klar, was es bedeutet, wenn man Jesus auf ein Podest stellt und fordert, dass jeder ihm helfen und ihm dienen müsse, weil er der Chef von allen sei. Denn dies bedeutet, dass man einen falschen Jesus erfunden hat, der vom wahren Jesus abweicht. Und dieser Fake-Jesus ist gebildet nach dem Herz des Sünders, das in Hochmut verirrt ist, nach Macht, Anerkennung und Großartigkeit dahingehend strebt, dass es andere Menschen zu Dienern machen kann, deren Aufgabe darin bestehe, uns zu helfen. Dies ist das, was wir nicht mehr suchen sollen. Dies ist der irdische Reichtum, den wir verlassen sollen.

Bedenken wir auch, dass Jesus nicht ist wie ein Narzisst, der sich selbst vor eine Schablone der Großartigkeit sieht, an der andere Menschen gemessen und gerichtet werden sollten. Denn der Narzisst hält sich für den Menschen weit voraus, ohne es tatsächlich zu sein. Er ist schließlich nicht wie Jesus frei von Anschuldigungen und Verurteilungen gegenüber seinen Mitmenschen, sondern reich an abfälligem Herabsehen auf jene, die nicht so großartig sind in seinen Augen, wie er selbst. Jesus hingegen weiß schon, dass er anderen Menschen voraus ist, erkennt dies aber gerade darin, dass er den anderen Menschen ohne den Hauch eines Vorwurfs und ohne ein stolzes Überlegenheitsgefühl das schenken möchte, was er hat. Der Vorsprung des Jesus wird von ihm selbst nicht als Überlegenheit und erhöhte Güte oder Wertigkeit missverstanden. sondern ganz richtig als zeitlicher Vorsprung eingeschätzt, der dahinschmelzen soll und überwunden werden muss. Wer früher am Ziel ist, der unterscheidet sich nicht von seinen Nachfolgern, sobald diese ebenfalls das Ziel erreicht haben. Sein Vorsprung ist keine höhere Wertigkeit, sondern ein schon-haben-was-andere-noch-bekommen. Dies verbietet Stolz und jegliche Größenfantasie. 

Der Reichtum des Jesus ist für uns ebenso vorgesehen. Er besteht darin, dass er die Fähigkeit, Kraft und Autorität hat, tatsächlich seinen Mitmenschen zu helfen. Dies aber ist jene Stärke, nach der wir streben wollen, um sie auch zu haben. Wir wollen dies tun, nicht um Applaus zu ernten von den Mitmenschen, denn das wäre ja der Hochmut, der nach Überlegenheit strebt. Nein, wir wollen dies tun, um uns zu freuen mit den Menschen, denen wir helfen konnten und mit ihnen in Freude eine neue Gemeinschaft haben zu können, in der wir ihnen nichts mehr beibringen können. Der gute Lehrer macht seine Nachfolger zu solchen, denen er nichts mehr lehren kann. Seine Mission ist abgeschlossen, wenn wir Brüder und Schwestern geworden sind. 

Wir suchen keine Bewunderung durch Schüler, sondern deren Aufstieg zu Brüdern und Schwestern

Unser Ziel ist also nicht die Bewunderung anderer Menschen für unsere tollen Fähigkeiten und unsere tolle Hilfe, sondern die Freude, die demjenigen geschenkt wird und die wir mit ihm teilen dürfen, der in Demut und Dankbarkeit das Heil Gottes empfangen hat und aufgestiegen ist in die Gemeinschaft der Heiligen. 

Demut ist also dadurch gekennzeichnet, dass wir uns danach sehnen, dass es dem Mitmenschen endlich möglich ist, echte Freude, wahren Frieden und wahre Liebe zu finden im Heil Gottes in der Gemeinschaft mit Jesus und von den schrecklichen Lasten frei zu werden, die das Leben in Hochmut und Sünde noch kennzeichnen. 

Die Demut besteht also letztlich darin, barmherzig zu sein, wie es Jesus ist aus dem Streben danach, die Liebe und Gemeinschaft sowie Gleichheit mit denen zu erreichen, die man errettet. Man strebt nicht danach, ihr hoch geehrter Rabbi zu bleiben, sondern danach, ihr Bruder zu werden, auf dass wir alle eine Liebe untereinander haben und jeder den anderen Hilfe spendet, wenn sie gefallen sind und wenn man ihnen eine Freude machen möchte aus Liebe.

Demut ist also nichts, das man für sich sucht, um von anderen nach oben gehoben zu werden, sondern etwas das man praktiziert, um Gemeinschaft mit anderen Menschen haben zu können und diese zu erfreuen und sie zu Brüdern und Schwestern zu machen. Der eigene Nutzen aus der Demut erschließt sich nur in der Liebe, denn wenn ich einen Menschen liebe, dann erfreut mich sein Heil. Und das will ich erreichen, dass wir uns zusammen freuen können, weil wir Brüder und Schwestern geworden sind, die sich gegenseitig helfen und unterstützen. 

Wer sich oder andere Menschen gering schätzt, ist nicht demütig

Falsche Demut aber besteht darin, dass man sich selbst klein machen möchte und beschimpft. Dies bereitet Jesus und dem Vater sicher keine Freude und es ist nicht das Ziel, das Jesus verfolgt. Wer also meint, Gott wolle, dass man sich selbst beschimpft, der meint, dass man ein harter Richter sein solle, der andere Menschen anklagt und verfolgt, statt ihnen zu helfen. Dies ist wiederum nicht das, was Jesus uns lehrt und somit ist es keine Demut, sondern Hochmut, sich oder andere Menschen betrüben und einsperren zu wollen. Falsche Demut kann sich auch darin zeigen, dass man vertuschen möchte, das man einen temporären Vorsprung im Glauben hat vor anderen Menschen. Denn dies ist ja kein Grund für Hochmut, sondern ein Grund dafür, dass man sich an das Werk der Fußwaschung macht, um seinen Mitmenschen die Hilfe zu bieten, die man sich auch für sich selbst gewünscht hat.

Unser Messias, an dem wir uns orientieren, wäscht anderen Menschen die Füße, um ihnen zu helfen ihre von Gott vorgesehene heilige Bestimmung zu finden. Er geht sogar so weit, dass er viele Lasten auf sich nimmt, um uns helfen zu können und die Notwendigkeit seiner Lehrtätigkeit zu überwinden. Aber es ist nicht die Last, die er zu ertragen hat, die wir loben, sondern seine Hilfe, die er uns schenkt und die wir annehmen mit dem Ziel, auch ebenso barmherzig zu werden, wie er es schon ist und ebenso Menschen helfen zu können, wie er es schon tut. Auch verzichten wir auf die Neigungen des Egos, dem es wichtiger ist, bewundert und gelobt zu werden, als tatsächlich demütige Hilfe in Wertschätzung gegenüber denjenigen zu üben, denen man hilft.

Thomas Ihli
Thomas Ihli

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