Das Evangelium versus falsche Erwartungen

In den ersten Jahrhunderten nach Christus wurde häufig eine nahe herangekommene vermeintliche irdische Gottesherrschaft angekündigt. Diese ist allerdings, wie wir heute Festellen können, bis zum heutigen Tag nicht gekommen und hat daher falsche Erwartungen geschürt. Man erwartete eine Herrschaft, in der Gott in Form seines Sohnes als übermächtiger irdischer Fürst auftreten werde, der die „Bösen“ ordentlich bestrafen solle und die „Guten“ zu seinen Top-Befehlshabern ernennen solle. Wer das verkündete, der sah sich vielleicht selbst in einer Opfer-Rolle und sann auf Herstellung einer neuen Ordnung, in der ihm endlich ein Platz an der Sonne der irdischen Herrschaft eingeräumt werden solle, auf dass er den Spieß umdrehen könne, um die „Bösen“ unterwerfen zu können und um dann als „Guter“ Knecht Gottes herrlich über die „Bösen“ zu triumphieren.

Man nahm an, dass diese aus dem Ego gefeuerte Vorstellung von Gerechtigkeit schon bald von Gott auf der Erde durchgesetzt werde und man als derzeitiges armes, unschuldiges Opfer unter den Bösewichten dann nicht länger leiden müsse, sondern endlich Genugtuung erfahren würde. Man glaubte, dass Gott schreckliche Rache üben werde, an den Mitmenschen, die einem so böse mitgespielt haben. Doch daraus wurde tatsächlich nichts, weil es eine völlig falsche Erwartung, ein Irrtum war.

Es ist erstaunlich, wie sich dieses  Gedankengut unter christlicher Flagge ausbreiten konnte, wo doch das Leben und die Lehre des Jesus diesem Unsinn diametral entgegensteht. Denn Jesus lehnte es ausdrücklich ab, ein König des Volkes zu werden, so sagt es die Schrift und so ist das Leben des Jesus nunmal verlaufen. Und er predigte die Vergebung, nicht die Rache, was die Vergeltung ausschließt. Das verheißene Gottesreich auf Erden nach der Vorstellung jener Verkünder der Zeit nach Jesus, ist Fiktion. Es ist eine falsche Botschaft vom Kommen einer Ordnung, die Gott zu keiner Zeit anstreben würde, weil es seiner Liebe widerspräche. Gott bietet uns Frieden an, keine neue Gewaltherrschaft durch Gott. Der Frieden aber beginnt in uns selbst.

Wenn nun das Reich Gottes offensichtlich nicht die Herrschaft von Königen und Fürsten über das Land ist, dann ist es offensichtlich etwas  anderes. Ich bin der Auffassung, dass man mit dem Begriff des Reichs Gottes am besten jene spirituelle Sphäre bezeichnen sollte, die uns Jesus nahe gebracht hat und in die er uns ruft. Es ist der Geist des Friedens und der Liebe, der Vergebung und Barmherzigkeit. Wer darinnen ist, der hat diesen Geist angenommen.

In dieser geistlichen Sphäre strebt man nicht nach Herrschaft oder Anklage und Vergeltung, sondern nach Liebe und Barmherzigkeit. Darin herrscht der Frieden, weil die Mitarbeiter in diesem Reich nicht Fürsten werden wollen über andere Menschen und auch keine Richter und Vergeltende sein wollen, die Mitmenschen drangsalieren. Sie begnügen sich damit, von Herzen sanftmütig, demütig und barmherzig zu sein und auf diese Weise in Liebe und Seelenfrieden zu leben. Dies ist das innere Paradies, das sich äußerlich im Verhalten zeigt. 

Weil die Menschen auf eine Fiktion hoffen, die nicht gut für sie wäre, finden sie das Reich Gottes nicht, das tatsächlich schon gekommen ist und bereits mitten unter uns ist. Manche Menschen sind hier und jetzt im Reich Gottes, werden aber natürlich nicht als solche erkannt von den Verfechtern falscher Evangelien. Dies beklagen wir nicht, denn es ist der Wille Gottes.

Die Gegenwart des Geistes Gottes ist es, was das Evangelium, das wahre Evangelium, verkündet und es erklärt anhand des Lebens und der Lehre des Jesus, was das ist und wie man hineinkommt. Wer das sucht, der findet es auch, weil es schon da ist und von jedem gefunden werden kann, der es auch sucht und nicht etwas anderes, das er als Evangelium ansehen möchte.

Bedenkt auch, dass Jesus den Weg ins Reich Gottes darin gewiesen hat, ihm nachzufolgen. Man kommt also  dadurch, dass man das übernimmt, glaubt und tut, was Jesus tat. 

Jesus zeigte, wie man eingeht. Hierzu muss man sich absondern lassen aus dem Denken und Handeln derer, die nach einem falschen Reich streben. Das sind beispielsweise Leute, die zuerst nach äußerer sozialer Gerechtigkeit suchen, indem sie den Spieß umdrehen wollen, sich selbst zu Herrschern machend und Strafen gegen die einstigen Herrscher verhängend. Jesus aber fordert explizit keine Bestrafung der weltlichen Herrscher oder der Sünder im Allgemeinen und offenbart auch damit den Charakter des Reichs Gottes. Den nur wer in sich den Frieden hat, kann im Reich Gottes leben.

Falsche Evangelien bieten oft etwas an, was den Hass und die Rachegelüste derer nährt, die sich als Verlierer in der jetzigen Ordnung fühlen und hierfür den bösen Reichen und ungerechten Mächtigen die Schuld geben wollen. Doch wer nicht den Frieden im Herzen gefunden hat, ist Teil des irdischen Problems und noch nicht Teil der Lösung.

Andere Menschen haben erkannt, dass sie wohl ihrem Streben nach auch eher zu denen gehören, die sie selbst als problematisch ansehen. Nun hoffen sie darauf, dass es nicht zu einer Vergeltung für ihre Fehler kommen werde. Das hierzu passgenau ersonnene falsche Heilsversprechen ist die der Bestrafung des Jesus durch Gott, was Gott widersprechen würde, der ja nicht bestraft. In diesem verqueren Denken wird Jesus deswegen von den Sündern getötet, weil Gott durch ihre Hand sich selbst ein Opfer darbringen möchte, um sich selbst zu besänftigen, auf dass er nicht mehr wütend ist wegen der Fehler der Menschen. Man muss wohl nicht viele Worte über ein derartiges Gottesbild verlieren. Doch dieses falsche Evangelium resultiert aus der Angst der Menschen vor einer Rache durch Gott, die Gott aber niemals vorhaben könnte, weil er ja barmherzig ist. Gott hat somit Jesus nicht als Opferlamm an sich selbst verwendet, um sich selbst durch ein unbarmherziges Werk zur Barmherzigkeit zu bringen. Dies dürfte eigentlich auch sofort als absurd zu erkennen sein und die Idee, dass Gott absurd sei, ist ebenso absurd. Nein, Gott ist barmherzig und dies erscheint vielleicht denen als absurd, die es selbst nicht sein wollen, weil sie auf Rache sinnen, nicht Gott.

Da es nicht stimmt, dass Gott Jesus zur Selbst-Besänftigung ermorden ließ, kann auch die damit verbundene Erwartung nicht erfüllt werden. Es gibt keine Befreiung von einer Bestrafung, weil Jesus getötet wurde. Bei Gott gibt es ohnehin keine Bestrafung, sondern die Einladung in den barmherzigen Geist Gottes. 

So bleibt also derjenige Mensch weiterhin der Unbarmherzigkeit ausgesetzt, der nicht bereit ist, sich Jesus anzuschließen, um selbst barmherzig zu werden und KEINE Rache mehr zu verlangen. Denn das ist ja das Evangelium, dass Jesus keine Rache gefordert hat, wie auch Gott keine Rache gefordert hat für Fehler, selbst dann, wenn Menschen den Gottessohn getötet haben. Was wird Gott also tun, wenn die Menschen den Gottessohn töten? Er wird sie weiter zur Umkehr rufen in sein Reich der Barmherzigkeit. Aus diesem Grunde ist die Welt der Sünder vor und nach der Kreuzigung des Jesus auch nicht anders geworden. Sie befinden sich immer noch in der Spirale von Gewalt und Anklage zur weiteren Gewalt. Da ist keine Vergebung, keine Barmherzigkeit eingetreten. 

Daher werden die Verkünder der falschen Botschaft der Errettung durch Mord an Jesus enttäuscht werden.  Gott lässt ja die Vergeltung durch Sünder weiterhin für solche Sünder zu,  die sich an den ehemaligen Herrschern rächen wollen und sich der Barmherzigkeit weiter verschließen. Jesus hat dies vielfach gepredigt, als er davon sprach, dass es Vergebung für genau diejenigen geben wird, die selbst Vergebung üben. Die anderen werden gefangen von den Rächern und sie haben keine Vergebung, dies es nur gibt, wenn man Vergebung im Herzen trägt.

Gott schreitet somit nicht ein und holt die Verkünder und Nachfolger des falschen Evangelium der Gnade durch Mord nicht heraus aus dieser Misere, da sie gar nicht heraus gehen wollen, sondern sich in ihren Herzen die Unbarmherzigkeit bewahren wollen, sie auch Gott unterstellen wollen.

Sie wollen vielleicht gerne Herrscher bleiben, ohne die Vergeltung ihrer Opfer zu empfangen. Oder sie wollen die Täter nicht ungestraft davonkommen lassen und ihren Reichtum an Klagen nicht fallen lassen. Dies aber ist jeweils das Spiel der Sünde, dem sie sich verschrieben haben. Und den Ausweg des Jesus wollen sie nicht gehen, sondern Illusionen verbreiten, was nichts hilft. Ihre Selbst-Illusionierung hält meist nur kurz. Wenn sie sich einmal überzeugt haben, dass sie erlöst sind, obwohl sie weiter unbarmherzig bleiben in ihrem Herzen, so holt sie doch die Sphäre der Unbarmherzigkeit ein und bedrängt sie. Dann fühlen sie sich genötigt, weitere Unbarmherzigkeit ins Werk zu setzen. Sie wollen das wahre Evangelium einfach nicht hören und verschließen ihre Ohren mit ihrer Illusion.

So läuft die Sünde unter vermeintlichen Christen seit zweitausend Jahren auf Hochtouren und sie merken das natürlich auch, denn sie erleben es bei sich und ihren Gegnern. So vermuten wohl zuweilen, dass doch etwas nicht stimmt an ihrem bis auf die kurzzeitige Selbstberuhigung wirkungsfreien Evangelium, doch sie suchen nicht nach dem wahren Evangelium.

Viele Christen, insbesondere solche außerhalb der katholischen oder orthodoxen Kirche, haben die erwartetet Wirkung ihre Evangeliums enttäuscht auf die Zeit nach dem Tod verschoben, wo man es eben nicht sehen kann, dass es wirkt, weil es ja nur nach dem Tod wirken solle.

Dies aber widerspricht dem Leben des Jesus und seiner Jünger, die eine Wirkung des Evangelium in diesem Leben gezeigt haben.

Auch dies wird heute eifrig geleugnet, dahingehend, dass es eben nur damals sichtbar gemacht wurde, dass man jetzt glauben kann, dass es ausschließlich im Unsichtbaren wirkt und man davon in diesem Leben einfach nichts, ja gar nichts, merken kann. Man hat sich also sehr verrannt im Bestreben, das offensichtliche Evangelium der Nachfolge des Herrn abzulehnen, um der Sünde treu zu bleiben.

So bleibt das Leben der Christen ununterscheidbar von dem der Heiden und sie sprechen sich ein Evangelium zu, das gar nicht wirken darf in diesem Leben. Viele Christen sind daher in ihrem Verhalten nicht gerade barmherziger als der durchschnittliche Heide.

Diese modernen Christen, die keine Geistesgaben und -wirkungen kennen, sind heute nicht mehr der Meinung, dass eine Gottesherrschaft in diesem Leben doch noch eintreten werde, auch nicht dass eine Wirkung des Evangeliums in diesem Leben eintritt, auch nicht dass eine geistliche Sphäre gibt, die man betreten kann im Heiligen Geist, nein sie glauben, dass es nichts gibt in diesem Leben, was irgendwie auf Gott hindeuten könne. Da sind sie einer Meinung mit den Heiden. Sie glauben aber im Gegensatz zu den Heiden, dass es eine Verheißung für die Zeit nach ihrer Beerdigung oder Einäscherung ihres Leichnams, gebe, dass nämlich dann der christliche Glaube Wirkung zeigen werden, wenn sie nicht mehr auf der Erde leben. Doch Jesus sagte etwas ganz anderes, was sie aber mit großer mentaler Kraftanstrengung permanent leugnen. 

So wird deutlich, dass es unmöglich das wahre Evangelium sein kann, an das die Mehrheit der Christen heutzutage glaubt. Auch galt dies bereits in der Phase, als man noch davon ausging, dass demnächst ein König Gottes auf der Bildfläche erscheine, der das Reich Gottes mit Gewalt bringen würde. Auch damals glaubte die Mehrheit der Christen nicht an das wahre Evangelium und sie suchten nicht nach dem echten Reich Gottes, das jetzt hier ist, wo du dich auch immer befindest. 

Wir aber haben genau das gesucht und gefunden, was Jesus verkündet hat und was er erlebt hat. Denn wir haben uns nicht damit zufrieden gegeben, dass es keinen Gott gibt in dieser Welt, den wir finden könnten. Wir erleben die Präsenz Gottes, wir hören ihn, kennen ihn ein Stück weit und sehen Zeichen und Wunder in unserem irdischen Leben, die er bewirkt, weil wir ihn suchen und bitten.

Wie Jesus wollen wir daher weder Herrscher werden noch wollen wir Ankläger (Opfer, die sich rächen) werden. Wir sind zufrieden, ein Leben in Liebe und Barmherzigkeit zu führen und streben nicht nach Anerkennung, schon gar nicht bei denen, die damit nichts zu tun haben wollen.

Wir sind zufrieden damit, dass Menschen lieber falsche Evangelien glauben und nach Herrschaft oder Rache streben wollen. Denn dies alles muss sich für sie erfüllen, weil sie es erst selbst erkundet haben möchten. Wenn der Moment der möglichen Erkenntnis auf ein Datum nach dem Tod gelegt wurde, wird es allerdings sehr schwer, dann doch noch umkehren zu können.

So gibt es viel falsche Evangelien und das ist auch so vorhergesagt worden. Jeder findet das, was er sucht und hält es für das richtige Evangelium. Und letztlich stimmt das sogar, wenn man bedenkt, dass man erst die falschen Wege aufgeben muss, bis man bereit ist für den Weg des Herrn. Dann aber wird das Evangelium hier und jetzt mit Leben erfüllt.

Thomas Ihli
Thomas Ihli

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