Barmherzigkeit ist ein Fluss, der aus Gott kommt

Das zentrale Thema von Jesus war die Lehre von der Barmherzigkeit. Denn Barmherzigkeit ist das eine Opfer, das Gott gefällt. Und Barmherzigkeit ist das, was dem Handel und Opferkult diametral entgegensteht, den die Priester in den Tempel eingeführt haben.

Die Priester haben aus dem Gotteshaus eine Räuberhöhle gemacht, in der Vergeltung gesucht wurde, statt Barmherzigkeit. Doch Gott ist Barmherzigkeit. Die Gerechtigkeit Gottes ist keine Vergeltung, sondern sie ist Barmherzigkeit. 

Doch wer Vergeltung sucht und dies für Gerechtigkeit hält, der wird die Barmherzigkeit nie finden und nie erfahren, bis er umkehrt zur Barmherzigkeit. Denn die Liebe zu Gott und die Nächstenliebe (wie zu sich) ist der Weg Gottes. Und wer diesen Weg verlässt, der kommt in die Schuldkultur der gefallenen Kinder, die im Verderben wandeln. 

Jesus ist Barmherzigkeit und keine Vergeltung. Denn Barmherzig wird zwar denen gewährt, die Barmherzigkeit üben, aber dies ist keine Belohnung sondern etwas anderes, das wir hier beschreiben wollen. Auch ist das Ausbleiben der Barmherzigkeit keine Bestrafung, sondern es ist das Resultat des Strebens nach Hierarchie, Würdigung und Vergeltung.

Jesus aber zeigte uns, dass Barmherzigkeit frei davon ist, nach Anerkennung zu streben. Denn wer nach Anerkennung strebt, in dem ist eine Räuberhöhle und in ihm ist keine Barmherzigkeit. Niemand kann Barmherzigkeit üben, es sei denn er ist frei vom Streben nach Anerkennung, Jesus erklärte dies in Gleichnissen vom Almosen geben. Denn wer Almosen gibt, um Anerkennung zu bekommen, der hat weder Gott noch die Barmherzigkeit gefunden. Das sind tote Werke ohne Barmherzigkeit, obwohl dabei eine Leistung für andere Menschen erbracht wird. Doch diese wurde nicht in Barmherzigkeit vollzogen und daher floss auch keine Barmherzigkeit vom einen Menschen zum anderen und Gott (das Leben und Blut Christi) wurde nicht vom einen Menschen zum anderen Menschen geschenkt. 

Ein Werk, und erscheine es oberflächlich betrachtet als noch so gut, ist spirituell wertlos, wenn es nicht barmherzig getan wurde. Was aber Barmherzigkeit bedeutet, war weder den Zeitgenossen von Jesus noch unseren Zeitgenossen in der Regel geläufig. 

Die Barmherzigkeit ist insofern ein Mysterium, das sich erst offenbart, wenn man selbst darinnen ist. 

Viele Protestanten gegen Gott haben Theorien ersonnen, warum man keine Barmherzigkeit üben solle und haben damit Jesus direkt ins Gesicht geschlagen und gegen den Heiligen Geist blasphemisch gelästert. Sie meinten, dass man doch zuerst die Gnade Gottes brauche. Wenn man diese dann sozusagen in der Tasche habe, dann könne man losgehen und anderen Menschen ebenfalls Gnade bzw. Barmherzigkeit erweisen. Sie haben zwar eine Wahrheit berührt, doch diese mit einer Täuschung kombiniert. Denn die Wahrheit ist, dass man keine Barmherzigkeit tun kann, es sei denn, diese kommt von Gott. Aber die Täuschung ist die, dass es ein zeitliches Nacheinander geben könne zwischen der Barmherzigkeit, die man selbst gibt und der Barmherzigkeit, die man von Gott bekommt. Dahinter steckt wieder das Streben nach Vergeltung. Sie meinten, dass man für seinen tollen Glauben belohnt werde von Gott und dafür Barmherzigkeit geschenkt bekomme. Doch das wäre ein Handel, wie er nur in Räuberhöhlen vorkommt, aber nicht bei Gott. 

Barmherzigkeit wird nicht von Gott gewährt als Bezahlung für einen tollen Glauben, eine geniale Theologie oder gute Ideen. Auch wird sie nicht gewährt für einen christlichen Dienst und eine Verkündigung der Schriften. Sonst wären ja die Schriftgelehrten und Priester das gewesen, was sie dachten: privilegierte Anwärter auf die Barmherzigkeit Gottes. Das aber waren sie in keiner Weise. Nein, sie waren innerlich Räuberhöhlen. So auch jene Theologen, die Barmherzigkeit als Belohnung für eine tolle theologische Meinung und Interpretation der Kreuzigung erwarten. 

Wer nun Barmherzigkeit von Gott erhalten möchte als Geschenk oder Gegenleistung für etwas, das er getan hat oder als Vorleistung auf das, was er danach auch tun kann, der geht in die Irre und wird keine Barmherzigkeit erfahren. Er findet das nicht, von dem Jesus genug hat. 

Das aber ist wahr: Die Barmherzigkeit fließt in dem Moment von Gott in den Menschen, in dem er die Barmherzigkeit ausfließen lässt. Dies aber geschieht, dann wenn er einen Bedürftigen trösten möchte. Wenn er dann aktiv wird, um den Bedürftigen zu trösten, dann schießt Barmherzigkeit in sein Herz und es schießt heraus aus ihm in denjenigen, den er trösten möchte. Das alles geschieht in der Einheit zwischen Gott und Mensch.

Genau darin ist der Mensch also Eins mit Gott, dass er anderen Menschen barmherzig hilft. Dies lässt seine Barmherzigkeit ausschießen im selben Augenblick, in dem er sie erhält. Man kann Barmherzigkeit nicht erstmal von Gott bekommen und dann mit dieser herumziehen, um sie anderen zu schenken. Man hat die Barmherzigkeit genau solange, wie man sie weitergibt. Man hat sie nicht davor und auch nicht danach. Man hat sie nur dann, wenn man in der barmherzigen Liebe bleibt. 

Wer aber in einer anderen Art von Gerechtigkeit leben will, der findet keine Barmherzigkeit. Es ist völlig unmöglich. Die Barmherzigkeit ist umfassend, wenn sie da ist. Sie gilt für einen Selbst wie für den Nächsten. Daher ist die Barmherzigkeit für andere Menschen auch gekoppelt mit der zeitgleichen Barmherzigkeit für sich selbst. So erfährt man Barmherzigkeit für sich selbst zeitgleich mit der Barmherzigkeit für Andere.

Bildet euch nicht ein, dass ihr euch einen Schatz im Himmel sammeln könntet, während ihr gerade unbarmherzig lebt. Denn der Schatz im Himmel ist dann verfügbar, wenn man selbst barmherzig ist. Dieser Schatz wird sofort weggenommen, wenn man die Barmherzigkeit verlässt. Man „sammelt“ den Schatz also nicht, wie es die gängigen Bibeltexte glauben machen wollen, sondern man ist in diesem Schatz und dieser Schatz ist in einem Selbst, solange man die Barmherzigkeit tut, also Bedürftige einfach nur trösten möchte. 

Man sollte erkennen, dass in dieser Hinsicht jeder Mensch bedürftig ist und Gott ist es auch. Die Bedürftigkeit Gottes zeigt sich ja in der Bedürftigkeit des Menschen, der doch Gottes Bild ist. Weil Gott die Barmherzigkeit benötigt, benötigt auch der Mensch die Barmherzigkeit, jenen Trost, ohne den der Bedürftige nicht leben kann. 

Was da fließt, in der Barmherzigkeit, das ist das Leben und die Liebe Gottes. Jeder braucht das, denn sonst ist er ja tot. Gott wäre auch tot, wenn er nicht sich selbst die Barmherzigkeit erweisen würde, sich durch barmherziges Leben und barmherzige Liebe zu trösten. Das Leben ist barmherzig. Ohne Barmherzigkeit hat man kein Leben. Wer die Barmherzigkeit jetzt nicht tut, der hat jetzt kein Leben und ist jetzt tot. Daher sollen wir allzeit Barmherzigkeit üben. So sagt es die Schrift über Jesus, dass er ausgegossen hat sein Leben und dass er es noch heute tut. Daher lebt er. 

Wer kein Leben schenkt, der ist schon tot in genau dem Moment, in dem er aufgehört hat, barmherzig zu sein. In ihm ist schon keine Barmherzigkeit mehr und er ist zu einer Räuberhöhle geworden. 

Ein Räuber will etwas haben, dessen er unwürdig ist. Er will Barmherzigkeit für sich und sie erst in einen Speicher sammeln, bevor er sie dann eventuell einmal weitergibt. Dies aber geht nicht und er hat kein Leben. Was er sammelt ist tote Materie. Sein Brot ist profan und nicht lebendig. Sein Wein ist profan und enthält kein Leben.

Da sagen die Unbarmherzigen, die Räuber flugs zusammen mit Satan, dass sie doch gewisslich nicht tot sind und gewisslich nicht sterben werden wegen ihrer Unbarmherzigkeit und dem Handel, den sie treiben. Denn sie verwechseln das Leben der Seele mit dem Leben des Körpers. Der Körper kann eine Weile lang mitgeschliffen werden in der irdischen Umgebung, auch wenn die Seele tot ist. Das sind Heizkörper, die keinen Wasseranschluss haben. Sie sind eine Belastung für die Gemeinde und geben selbst nichts. Sie können aber Barmherzigkeit erfahren und das belebt ihre Seele wieder, wenn sie augenblicklich selbst Barmherzigkeit vergießen. Wenn sie es bunkern wollen, können sie keine Barmherzigkeit erfahren von Gott. Denn nur wenn man augenblicklich Barmherzigkeit weitergibt, kann man überhaupt Barmherzigkeit von Gott oder einem barmherzigen Nächsten empfangen.

Aus diesem Grunde können diese Menschen keine Barmherzigkeit empfangen, die nicht sofort Barmherzigkeit ausgießen, wenn sie diese empfangen. Das sind Menschen, die auf Privilegien hoffen wie jene Theologen, die für den richtigen mentalen Glauben belohnt werden wollen, während sie dieses Privileg nicht einfach allen weitergeben möchten, weil sie doch etwas geleistet haben, was jene nicht geleistet haben. Und aus diesem Grunde erhalten sie nichts und gehen ins Verderben. Stolz tötet unsere Seele und verhindert die Auferstehung. Stolz besteht auch darin, dass man von sich sagt, dass man etwas können müsste, was man nicht kann. Denn in diesem Falle will man Großartigkeit erreichen und das schließt aus, dass man Barmherzigkeit annehmen kann. 

Wer nach Großartigkeit strebt, der ist innerlich eine Räuberhöhle ohne Barmherzigkeit. Aus diesem Grunde fließt aus ihm keine Barmherzigkeit aus und er hat keine. Diese Leute sind Händler und Mörder. Und sie sind aus dem Reich Gottes ausgeschlossen, bis sie umkehren. Es empfängt nur derjenige, der gibt. Denn umsonst empfangt ihr solange ihr umsonst gebt. 

Alles was wir schenken von Gott her, erhalten wir erst in dem Moment, in dem wir es schenken. Aus diesem Grunde müssen die Jünger mit leeren Taschen losziehen. Auch die Predigten sind spontan aus dem Geist Gotte zu leisten und nicht vorzubereiten. Man kann nichts von Gott geben, wenn man es vorher schon erhalten haben will. Denn Gottes Gegenwärtigkeit ist zeitlos und darin sind keine Speichermöglichkeiten enthalten. Es kommt genau dann, wenn wir es schenken wollen und es kann nur hineinfließen wo es auch wieder rausfließt. Man kann es nicht lagern und keine Vorräte anlegen an Lehre aus Gott. Alles wird immerzu neu geschenkt. 

Doch auch wenn das Heil nicht in den Anderen hineingehen kann, weil dieser seine Weitergabe blockiert hat, fließt das Heil in uns ein beim Versuch, es zu schenken. Das ist gemeint, wenn Jesus sagt, dass der Frieden auf uns bleibt, auch wenn er beim Gegenüber nicht ankommt. Dann klopfen wir unsere Kleider ab, denn vom anderen kam keine Barmherzigkeit sondern der Versuch, uns in ihr Streben nach Anerkennung hineinzuziehen und uns zur Anerkennung zu nötigen. Diese unreinen Geister sollen wir durch den Frieden abklopfen, der von Gott kommend aus uns ausströmt und in diesem Fall as Heilmittel gegen die unreinen Geister wirkt, die aus dem gegenüber ausströmen. 

Daher sollen wir unsere Nächsten segnen, auch wenn diese es auf Anerkennung abgesehen haben und darauf, uns zu erniedrigen. Was uns heilt, das ist das, was wir ihnen schenken wollten, was diese aber verweigert haben. Sie wollten uns erniedrigen, als wir ihnen Barmherzigkeit erweisen wollten. So haben sie Blasphemie gegen den Heiligen Geist betrieben und daher sind sie in der Räuberhöhle, der Hölle. Doch die Geister der Hölle, die aus ihnen ausgehen, treffen uns nicht, da aus uns der reinigende Geist der Barmherzigkeit ausgeht. Das üben der Barmherzigkeit ist somit das Heilmittel gegen die Bosheit derer, die um Anerkennung ringen beispielsweise in religiösen Organisationen. 

Diese Menschen senden Geister aus, die das gegenüber erniedrigen wollen. Weil wir aber Barmherzigkeit aussenden, geht dieser unreine Geist nicht in uns ein. Statt dessen verhindert der Geist der Erniedrigung dieser Leute, den sie auf uns kommen lassen wollen, dass sie unsere Barmherzigkeit empfangen können. So werden sie erniedrigt durch ihren eigenen Geist, den sie ausströmen lassen und der in sie hineinströmt, weil sie ihn ausströmen lassen. So wird ihr Wunsch nach Anerkennung ad absurdum geführt, denn sie werden statt dessen erniedrigt. Dies aber ist wiederum besser so für sie, denn sie sollten umkehren zur Barmherzigkeit. 

Die Barmherzigkeit des Jesus strömte am Kreuz zu beiden Räubern aus. Er hat nach links und nach rechts Barmherzigkeit gesendet. Er hat nicht entschieden, wer Barmherzigkeit verdient habe und wer nicht. Der eine Räuber aber nahm diese Barmherzigkeit an und gab sie sogleich auch weiter, denn er hatte Mitgefühl mit Jesus. Der andere Räuber aber reagierte auf die Barmherzigkeit des Jesus mit Spott und Hohn. Er wollte Jesus erniedrigen, um sich selbst zu erhöhen. Er ging in die Finsternis. 

Thomas Ihli
Thomas Ihli

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